Deutsche Studie über Infraschall (2006)

von unserer Vorgängerseite windwahn.de übertragen – dort veröffentlicht am 23.12.2011

Wirkung von Infraschall auf den kochleären Verstärker

Günther Scholz¹, Johannes Hensel¹, Thomas Janssen²
¹HNO-Klinik der Charité, Universitätsmedizin Berlin, D10117 Berlin, ²HNO-Klinik der TU München

Einleitung

[…]
Obgleich vom Menschen im konventionellen Sinne nicht hörbar, wird Infraschall in Abhängigkeit vom Pegel doch wahrgenommen. Harris et al. (1976) sowie Moeller u. Pedersen (2004) berichten, dass Infraschallreize sowohl vom Ohr und dem peripheren Gleichgewichtsorgan als auch von der Haut, Herz, Lunge und anderen inneren Organen aufgenommen werden. Weitere biologische Auswirkungen wie Schwindel, Stress, psychische Probleme sowie Schlafstörungen werden von Tagikawa et al. (1988) beschrieben und von Castelo Branco et al. (2003) als „Vibroacoustic Disease“ zusammengefasst.

Das Gefühl einer Unbehaglichkeit nimmt mit tieferen Frequenzen sowie mit höheren Pegeln und der Dauer der tieffrequenten Einwirkung zu; wenige Menschen beschreiben diese Ge-fühle sogar auch bei Pegeln unterhalb ihrer Wahrnehmungsschwelle. In einem Tierexperiment mit sehr lauten Schallexposition mit Tönen von 31,5 und 53 Hz, länger als 24 Stunden, zeigen Alves-Pereira et al. (2003), dass es zu Zerstörungen kochleärer Strukturen kommen kann. Zunächst zerklumpten die Zilien der äußeren Haarzellen (OHC) und bei mehrtägiger Schalleinwirkung wurden die OHC zerstört. Daher sind alle Untersuchungen mit hochpegeligen Schallreizen sehr vorsichtig anzugehen und vor allem die Dauer der Schalleinwirkung so gering wie möglich zu halten.
[…]

Diskussion:

Seit langem ist bekannt, dass Infraschallreize verschiedene Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben. Mit der vorliegenden Studie konnten wir beweisen, dass Stimuli von 6 und 12 Hz auch die Funktion des Innenohres beeinflussen. Der gezeigte Modulationseffekt der DPOAE bei Normalhörenden streut interindividuell, bleibt aber intraindividuell sehr konstant, falls die Messparameter nicht verändert werden.

Nimmt man an, dass der MI ein Maß für die Beweglichkeit für tiefe Frequenzen der Basilarmembran darstellt, könnten die individuellen MI die unterschiedliche Sensitivität des peripheren Gehörs repräsentieren, obwohl sich die subjektiven Hörschwellen der Probanden nicht unterschieden haben. Geringe Verschiebungen des Arbeitspunktes auf der Kennlinie des kochleären Verstärkers scheinen bei manchen Ohren einen stärkeren Effekt auf das Kompressionsverhalten auszuüben als bei anderen. Die unterschiedlichen individuellen MI könnten erklären, warum manche Menschen Infraschall oder Tieftöne als unangenehm und störend empfinden, andere die gleichen physikalischen Reize kaum wahrnehmen.

Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass ein Suppressorton von 6 Hz mit einem Pegel von 130 dB SPL von keinem der Probanden als unangenehm empfunden wurde, wenn die Infraschalleinwirkung nur von kurzer Dauer war. Die Modulation der DPOAE zeigte bei allen, dass die Infraschallreize die kochleäre Funktion beeinflussten. Eine Schädigung der OHC durch diese Suppressionsmessungen schließen wir aus, da bei keinem der 12 Probanden eine TDPLS direkt nach den Messungen auftrat und auch bei der Befragung nach einem Tag keine Hörprobleme vermeldet wurden.

Weitere Untersuchungen dieser Art könnten zeigen, warum die Sensitivität des kochleären Verstärkers bei Infraschallreizen so unterschiedlich ist und warum einige Menschen berichten, unangenehme Empfindungen dabei zu verspüren. Da aber der Dynamikbereich des menschlichen auditorischen Systems bei geringer werdenden Frequenzen auch kleiner wird, muss unbedingt das gesundheitliche Risiko bedacht und müssen längere Tieftoneinwirkungen vermieden werden.

Quelle: http://www.uzh.ch/orl/dga2006/programm/wissprog/Scholz.pdf